Die Geschichte von „Ratokker“

Anlässlich des 65. Geburtstages von „Ratokker“ am 25.8.2021 habe ich soweit es mir möglich war die Geschichte unseres Bootes zusammen getragen:

Konstrukteur der „Ratokker III“ war der 1906 in Århus geborene Knud Reimers. Er lernte Schiffbau auf der Krupp-Germania Werft in Kiel, arbeitete dann als Bootsbauer bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder und ließ sich Ende der 1920er Jahre in Stockholm bei dem bekannten finnischen Architekten und Yachtdesigner Gustaf Estlander, Schöpfer zahlreicher Schärenkreuzer und m R-Yachten, zum Yachtkonstrukteur ausbilden. Als Estlander unerwartet starb, übernahm Reimers das Büro. Seine Entwürfe waren typisch skandinavisch – schlank, häufig mit Spitzgattheck, hohes Segelprofil. Sehr bekannt war die „Tümmler“-Serie.

Er hat für den dänischen Kaufmann Børge P. Lauritzen aus Horsens einen Seekreuzer gezeichnet, der 1942 unter dem Namen „Reila“ auf der Werft von Georg Andersen in Horsens vom Stapel lief.

1949/1950 hat Knud Reimers dann den 12,025m Havskryssare „Catalina II“ für den Stockholmer Svante Möller gezeichnet. Die Zeichnung des Segelrisses ist auf der Homepage des „Sjöhistoriska museet“ in Stockholm zu finden. Ob dieses Boot aber je gebaut wurde ist fraglich. Außer dieser einen gibt es keine weiteren Zeichnungen. Ich habe viele Stunden mit dem Versuch verbracht, etwas mehr über die „Catalina II“ und ihren Eigner herauszufinden. Es gibt im Internet aber keine Spuren. Nur über Svante Möller habe ich gefunden, dass er zumindest von 1951 bis 1971 Direktor des schwedischen Fiat-Importeurs war. Ein Stockholmer Bekannter ist der Meinung, dass jemand mit der beruflichen Stellung wie Svante Möller zur damaligen Zeit Mitglied des KSSS gewesen sein müsste. Er hat Zugriff auf die Mitgliederverzeichnisse und Yachtlisten des königlich schwedischen Yachtklubs KSSS, konnte aber weder über Boot noch Eigner etwas finden.

Bei dem nächsten Besuch in Stockholm werde ich versuchen, im Archiv des Museums etwas darüber herauszufinden, da dort auch eine umfangreiche Sammlung des Schriftverkehrs von Knud Reimers vorhanden ist.

Sowohl mit Knud Reimers als Konstrukteur als auch mit Georg Andersen als Werftchef muss Lauritzen sehr zufrieden gewesen sein, denn 1955/56 baute Andersen dann für ihn die „Reila II“, deren Segelriss identisch mit dem Segelrisss der „Catalina II“ ist. 12 Zeichnungen von unserem Boot gibt es auf der Homepage des Sjöhistoriska museet in Stockholm.

Am 25. August 1956 war Stapellauf in Horsens. Der Name „Reila“ setzt sich im Übrigen aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Beteiligten zusammen. Reimers – Lauritzen – Andersen.

Das Boot wurde als Meter-Yacht mit einem Rennwert von 8,056m und nach den dänischen N.L.-Mågereglen mit einem Rennwert von 7,6 vermessen.

Wahrscheinlich 1964/65 hat Lauritzen die „Reila II“ an den Arzt Dr. Ulrich Gross aus Flensburg verkauft (KR-Messbrief des DSV und dänische N.L.-Målereglen tragen Datumsangaben vom Beginn der Segelsaison 1965).

Schon 1967 wurde der Marineoffizier Ulrich von Coler Eigner der Yacht, die fortan „Vitalienbruder III“ hieß und eine KR-Wert von 8,5 erhielt. Nachdem die „Vitalienbruder III“ zunächst weiter auf der Flensburger Förde segelte, wurde bedingt durch eine Versetzung des Eigners nach Hamburg der Travemünder Priwall neuer Heimathafen.

Um an Regatten teilnehmen zu können, kürzte von Coler den Großbaum und ließ das Boot nach IOR als Zweitonner vermessen.

Wir hatten im Frühjahr 1977 unseren 20er Jollenkreuzer „Ratokker II“ mit der Segelnummer R540 verkauft und waren auf der Suche nach einem größeren Kielschiff. Im Hamburger Abendblatt gab es damals noch jedes Wochenende einen „Bootsmarkt“ mit Kleinanzeigen in Fließtext. Dort fanden wir zwei Anzeigen, die uns zusagten. Bei beiden handelte es sich um ca. 12m lange Holzboote, die in Lübeck bzw. Travemünde ihren Liegeplatz hatten.

Also haben wir zunächst das Boot in Lübeck besichtigt, dass aber in keinem guten Zustand war. Also weiter nach Travemünde zwecks Besichtigung und Probesegeln.

Es war ein wunderschöner Frühsommertag mit Kaiserwetter.

Auch wenn es unter Deck durch die dunklen Polster etwas düster war – das Segeln war einfach toll.

Aber wir wollten natürlich das Unterwasserschiff begutachten. Also am nächsten Tag Termin mit der Schlichtingwerft in Travemünde zwecks Slippen gemacht. Dieser Termin wurde dann aber von der Werft abgesagt und so wurde „Vitalienbruder“ bei Böbs in Travemünde am 24.5.77 gekrant.

Wir hatten uns für die Begutachtung der fachmännischen Hilfe von Elske’s Cousin, der als Yacht-Sachverständiger tätig war, versichert. Sein Urteil: Unterwasserschiff ist in Ordnung – seine Wertvorstellung 38.000.- DM.

Da nur die Söhne des Eigners beim Kranen dabei waren erfolgte die Verhandlung mit dem Eigner am Mittwoch, den 25.5.77 in Hamburg. Seine Preisvorstellung waren 45.000,- DM. Wir haben uns dann auf 41.000,- DM geeinigt und einen Kaufvertrag unterschrieben.

So, nun hatten wir, zumindest auf dem Papier, wieder ein Boot. Aber (noch) hatten wir nur einen Teil des Geldes für den Kaufpreis. Da sollte die Haspa eine wesentliche Rolle spielen. Gleich am nächsten Tag hatte ich einen Termin in der Zentrale und bekam die Kreditzusage. Aber die Auszahlung sollte erst in 10-14 Tagen erfolgen. Dabei sollten wir doch abends in Travemünde zahlen und das Boot übernehmen! Nun, mein damaliger Chef war großzügig und streckte hat das Geld vor. Puuh.

Elske und ich fuhren dann mit einem vollgepackten Auto nach Travemünde, übergeben den Scheck und stauten ein.

Wir wollten nämlich am folgenden Wochenende – es war Pfingsten – mit Freunden das Boot – nun als „Ratokker III“ nach Wedel überführen.

Am Freitagabend fuhren wir zusammen mit Klaus, Jochen, Sabine und Specki mit der Bahn an die Ostsee.  Dort angekommen blieb die Küche nach dem Einstauen kalt – wir gingen zum Wienerwald Travemünde zum Abendessen (für die Jüngeren: Wienerwald war eine bundesweit tätige Restaurantkette mit dem Schwerpunkt Hähnchen. Der Werbeslogan lautete: Heute bleibt die Küche kalt – heut geh’n wir in den Wienerwald).

Pfingtssonnabend ging es um 04:00 aus den Kojen. Nach sehr guter und schneller Fahrt bei westlichen Winden waren wir bald im Fehmarnsund. Ab dort begann aber bei zunehmendem West die Kreuz nach Kiel. Das Hochhaus in Schönberg hatten wir für viele Stunden voraus. Und immer wenn wir dachten, dass wir mit dem nächsten Schlag nun wirklich die Kieler Förde anliegen könnten, drehte der Wind etwas rechts.

Das auf dem Vorschiff überkommende Wasser verwandelte das Vorschiff sehr schnell in eine Tropfsteinhöhle. Die Nähte des Teakdecks, das keine Unterlage aus Sperrholz hatte, leckte! Da bestand vor der geplanten Sommertour aber reichlich Handlungsbedarf.

Und dann roch es plötzlich nach Benzin (das Boot hatte einen 10PS Albin Benzinmotor.) Offenbar leckte der im Achterschiff vorhandene Tank.

Also nix mit etwas Warmen zum essen und zu trinken unterwegs. Dafür gab es Bananen und Weingummi. Das wiederum bekam nicht allen an Bord und bald saßen zwei von der Crew nebeneinander in Lee im Cockpit und huldigten Rasmus.

Irgendwie schafften wir es dann aber doch und sind schließlich Mitternacht in Holtenau.

Am Sonntag stand dann die Kanalpassage an. Und natürlich versagte der Motor nach einigen Kilometern in der Weiche von Königsförde seinen Dienst. Gut das ich früher an meinem VW Käfer geschraubt habe. Das Übel war ein verstopfter Vergaser, den ich an den Pfählen liegend erst einmal reinigte. Die restliche Fahrt verlief ereignislos.

Ob der späten Tide kamen wir am Montag erst abends in Wedel an.

In den folgenden Jahren unternahmen wir viele Fahrten auf der Elbe und der Ostsee. Nachdem unsere Kinder geboren wurden, „durften“ sie natürlich mit an Bord und unser Hobby teilen.

Die Winter haben wir so wie die Sommer ebenfalls bei unserem Stück Holz verbracht. Unzählige Male wurden Aussenhaut und Cockpit seitdem lackiert (und zwischendurch auch immer mal wieder abgezogen). Auch das Unterwasserschiff war von diesen Arbeiten nicht ausgenommen. Ansonsten haben wir das Cockpit zwei Mal neu gebaut, drei Mal den Motor erneuert, mehrfach die Elektrik überholt, das Deck komplett erneuert, die Pantry mehrfach umgebaut und Vorschiff und Kartentisch unseren Vorstellungen angepasst. Und dann haben wir auch 1994 den Begriff Absegeln unseres Vereins zu wörtlich genommen. Der Holzmast kam in einer Bö zu Teilen von oben. Seitdem ziert ein Alurohr „Ratokker“.

Seit 2014 verbringen wir nun jedes Jahr im Sommer mehrere Monate auf unserem schwimmenden Zuhause und erkunden dabei im Wesentlichen die schwedische Ostküste oder den Götakanal (den wir mittlerweile schon sieben Mal von Ost nach West passiert haben).

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